Ah! Oh! Knuddel, Brumm und Bibber ….

Wie bei den SMS-Mitteilungen, in den Chats und sonst in der „Netz-Kommunikation“ werden  auch in Twitter inflektive Formen und Interjektionen benutzt. Diese Wortkonstruktionen sollen helfen, gemäss der in Twitter angestrebten Sprachökonomie, innerhalb der vorgegebenen 140 Zeichen schnell mit wenig „Platzverbrauch“ viel auszusagen. Bis jemand ganze Sätze wie: „Ich freue mich darüber wie verrückt“ oder „Uiuiui, das ist lustig, ich lach mir einen Ast ab“ ausformuliert hat, ist die Kommunikation und die Twitter-Timeline schon längst weiter, und es wurden „wertvolle“ Zeichen und Platz „verschwendet. „Wieverrücktfreu“ oder „Astablach“ sind in solchen Fällen viel ökonomischer. Mit dieser schnellen und direkten Art soll auch eine echte Kommunikation „von Angesicht zu Angesicht“ simuliert werden:
Interjektionen

Mit Interjektionen werden meist durch kurze, lautmalende Wörter Empfindungen ausgedrückt.

Im von Hadumod Bussmann herausgegebenen „Lexikon der Sprachwissenschaft“ wird die Interjektion folgendermassen beschrieben:

„Interjektion: [lat. interiectio >Dazwischenwerfen<, >Einschub<. – Auch: Empfindungswort]. Gruppe von Wörtern, die zum Ausdruck von Empfindungen, Flüchen und Verwünschungen sowie zur Kontaktaufnahme dienen (Au! Verflixt! Hallo!). Ihr Status aus Wortart ist ebenso umstritten wie ihre syntaktische Funktion, da I. sich morphologisch, syntaktisch und semantisch auffällig verhalten: Sie sind formal unveränderlich, stehen syntaktisch ausserhalb des Satzzusammenhanges und haben (im strengen Sinne) keine lexikalische Bedeutung. Häufig haben I. lautmalenden Charakter, wie z.B. Brr! Hoppla! Peng! Papperlapapp!„ (1)
Inflektive

Lautmalende Wörter wie „stöhn“, „ächz“,, „würg“ oder „bibber“ werden in der Alltagsprache von Jugendlichen schon seit den 1960er Jahre benutzt, obwohl diese „Comicssprache“ von der Elterngeneration – wie die Comics an und für sich, Rock ’n‘ Roll und andere Phänomene der damaligen Jugend – mindestens teilweise bekämpft wurde. Comics und die Verwendung der darin benutzten Sprache waren bei vielen Schulen und Familien schlicht verboten.

Durch das Verwenden von Verbstammformen wurden Aktionen und Befindungen der Comicshelden beschrieben, die sich nicht einfach durch eine graphische Darstellung festhalten lassen. Das laute Zuschlagen oder das Knarren einer Türe wurde mit „Rums“ oder „Knarr“ lautmalend wiedergegeben.
Den Begriff „Inflektive“ wurde von  Oliver Teuber 1998 eingeführt.  In seinem Aufsatz „fasel beschreib erwähn – Der Inflektiv als Wortform des Deutschen“ schreibt er: „Da die Formen, um die es geht, letztlich als Verbformen erkannt werden, die morphologisch nicht markiert sind (in diesem Sinn also “nicht-flektiert) sollen sie im weiteren Inflektive heissen.“ [Teuber, Oliver (1998) S. 8]
Da diese sprachlichen Phänomene der deutschen Sprache mit dem Aufkommen der Comics zum ersten Mal zu beobachten waren, wurden sie scherzhaft auch Erikative genannt, nach Erika Fuchs, der ersten deutschen Übersetzerin der Mickey Mouse Hefte.
Nach Oliver Teuber (1998) hat Peter Schlobinski (2001) die Thematik der Inflektive weiter untersucht und verschiedene Formen und Funktionen (onomatopoetische Inflektive, Inflektive als ikonisches Zeichen, illokutionäre Funktion) und ihre Benutzung im Internet beschrieben. Als einzigen Beleg für Inflektive, die in der deutschen Sprache vor dem Bekanntwerden der ersten Comicshefte zu finden sind, nennt er den Spruch der Hexe im Märchen Hänsel und Gretel aus Grimms Märchen: „Knusper, knusper, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“.
Im Twitter werden inflektive Formen – wie in den Chat-Foren – durch * *(Asteriske) (*michganzfestfreu*), gar nicht oder durch # (Hashtag)  (#knuddel) gekennzeichnet.

(1) [Bussmann, Hadumod (2008): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner, 4. Aufl. S. 302.]
Weiterführende Literatur(auswahl) und Links:

Inflektive:

Teuber, Oliver (1998): „fasel beschreib erwähn – Der Inflektiv als Wortform des Deutschen“ In: Germanistische Linguistik, Nr. 141-142. S. 7-26.

und

Schlobinski, Peter (2001): „*knuddel – zurueckknuddel – dich ganzdollknuddel*. Inflektive und Inflektivkonstruktionen im Deutschen“ In: Zeitschrift für germanistische Linguistik, Nr. 29.2. S. 192-218.
siehe auch: http://www.mediensprache.net/de/websprache/chat/inflektive/

(Zugriffsdatum: 28.06.2010)
Comics:

Dolle-Weinkauff, Bernd (1990). Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945. Weinheim/Basel: Beltz Verlag

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Hier einige Beispiele von Interjektionen und Inflektive in Twitter: